Die Geschichte des Theaters auf dem Messegelände

Die Idee zum Bau des Brünner Messegeländes entstand bereits vor dem Ersten Weltkrieg und wurde 1928 vollständig umgesetzt. Der Betrieb des Messegeländes wurde mit einer Ausstellung zu zeitgenössischer Kultur in der Tschechoslowakei aufgenommen, die anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnten Jubiläum der Gründung der damaligen Tschechoslowakischen Republik entstand und ein echter Anziehungsmagnet war. Bereits während der Vorbereitungen der Ausstellung dachte man auch an die Entstehung eines Theater- sowie Konzertsaals und ggf. eines an das Café angeschlossenen Kinos.
Das Theatergebäude für mehr als siebenhundert ZuschauerInnen mit einer offenen Seitenterasse und einem Café basiert auf dem Entwurf des Architekten Emil Králík, der auch für den Bau des Messegeländes zuständig war. Während der Ausstellung zu zeitgenössischer Kultur wurden tagsüber Lehrfilme auf der Leinwand gezeigt und die Abende gehörten Theatervorstellungen. Nachdem die Ausstellung beendet worden war und der reguläre Betrieb des Messegeländes angefangen hatte, begann das 1929 gegründete und von E. F. Burian geleitete Studio des Nationaltheaters Brno, das Theater zu nutzen. Burian brachte nur einige avantgardistische Inszenierungen auf die Bühne – eine Theaterform, die in Brünn nicht sehr verbreitet war. Das Studio zog wegen der allgemeinen Unzugänglichkeit des Gebäudes an einen strategischeren Ort um, in den sog. Hus-Chor. Auf dem Messegelände neigte sich dann noch die sog. Era der Akademischen Szene dem Ende zu, deren Hauptprotagonisten z. B. Josef Bezdíček und František Kožík waren. Die Akademische Szene, die von Prinzipien und Vorgangsweisen ausgeht, die dem Befreiten Theater stilistisch nahestanden, lud das Duo Voskovec und Werich ins Theatergebäude zum Gastieren und später auch zu einer regelmäßigeren Wanderbühne-Tätigkeit ein. Die beiden komponierten zusammen mit Jaroslav Ježek in den Räumlichkeiten des Theaters das bekannte Lied Die dunkelblaue Welt. Von hier aus strahlte das Brünner Hörfunkstudio die Live-Übertragung der Brünner Inszenierung V+W Ostrov Dynamit in die ganze Welt aus.

HISTORISCHE FOTOS DES GEBÄUDES

Langfristig wurde das Gebäude jedoch in der Zwischenkriegszeit nicht für den Theaterbetrieb genutzt, sondern diente eher als Kino, Konzertsaal, beziehungsweise als temporäre Nebenspielstätte des Landestheaters. Während des Protektorats wurden hier deutsche Filme vorführt und am Ende des Krieges wurde das Gebäude durch Bombenangriffe beschädigt. Erst nach dem Krieg wurde das Theater für den ursprünglich geplanten Betrieb häufiger genutzt – zunächst war hier ein sog. Freies Theater tätig, danach wurde das Ensemble des städtischen Jugendtheaters gegründet, das 1948 den Namen Julius-Fučík-Theater erhielt (und 1964 aufgelöst wurde). Das Gebäude wurde in den 1950er Jahren renoviert, wobei eine bis dahin offene Caféterrasse und eine Treppe zugemauert wurden. Seit den 1960er Jahren wurde das Theater nicht regelmäßig genutzt, sondern diente meist nur während der Messen für die BesucherInnen als Kongresshalle oder als Kino und Saal für Musikproduktion. In den 1970er Jahren wurde das Theater auf dem Messegelände während des Umbaus des Mahen-Theaters als Spielstätte genutzt. In den 1980er Jahren fanden hier im Rahmen der Messen Modenschauen statt. In den 1990er Jahren befand sich im Gebäude eine Produktenbörse und seit dem Einstellen ihres Betriebs 1998 ist das Gebäude geschlossen. Die Überlegungen zum Wiederaufbau, die zu Beginn des Jahrtausends aufkamen, wurden erst durch die Wirtschaftskrise und dann durch Verhandlungen bezüglich des Eigentümerwechsels der Messegesellschaft später umgesetzt. Als die Stadt Brünn die Gesellschaft Messe Brünn 2016 übernahm, stand Theater auf dem Messegelände nach langer Zeit wieder im Rampenlicht und wurde 2018 beim Festival Re:publika im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Gründung der Tschechoslowakei vorübergehend für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der technische Zustand des Gebäudes ermöglichte jedoch leider kein dauerhaftes In-Betrieb-Setzen des Theaters, das daher bis heute auf seine Wiedereröffnung immer noch wartet.

MEHR INFORMATIONEN FINDEN SIE
IM BRÜNNER ARCHITEKTURMANUAL

Übergehen
 

IM KATALOG DES NATIONALEN DENKMALINSTITUTS

Übergehen
 

IN DER ENZYKLOPÄDIE DER STADT BRÜNN

Übergehen
 

IN DER THEATER-DATENBANK

Übergehen

Der heutige Zustand des Theatergebäudes

Dank seines Konzepts und seiner architektonischen Gestaltung wirkt das vom Architekten Emil Králík 1927 entworfene Theatergebäude bis heute modern und zeitlos. Im Laufe der Jahrzehnte wurden einige Umbauten vorgenommen, von denen die Schließung der ursprünglich eröffneten Caféterrassen und die Ummauerung der Wendeltreppe, die während des Renovierens in den frühen 1950er Jahren geschah, am markantesten waren. Glücklicherweise beschränkten sich die meisten der folgenden Änderungen auf die notwendigsten Anpassungen der technischen Räumlichkeiten, deshalb ist im Theatergebäude der Zeitgeist seiner Entstehung noch vorhanden und im Besucherbereich ist eine Reihe von ursprünglichen Details erhalten geblieben, zum Beispiel eine beleuchtete Milchglasdecke, eine Tür mit charakteristischen runden Messingfensterchen zum Haupttheatersaal oder eine halbkreisförmige Kasse in der Haupteingangshalle. Seit 1991 sind das Theatergebäude und andere Objekte auf dem Messegelände in der Zentralen Liste der Kulturdenkmäler eingetragen.
Ein grundsätzliches Problem, das die Möglichkeit der Nutzung des Theatergebäudes heute erschwert, stellt der Zustand der Überdachung des Hauptsaales dar. Der Bau des Messegeländes in den Jahren 1927-28 verlief in hektischem Tempo, was sich häufig negativ auf die Qualität der Ausführung von Bauarbeiten auswirkte. Dies ist leider auch beim Theatergebäude der Fall. Nach neunzig Jahren des Bestehens ist die tragende Betondeckenkonstruktion über dem Hauptsaal am Ende ihrer Betriebsdauer und ihr Zustand erlaubt keinen sicheren Betrieb mehr. Deswegen kann das Theater einstweilig nur in beschränktem Maße genutzt werden und bei seinem Wiederaufbau sollten die ersten Schritte gerade auf die Sanierung der am stärksten gefährdeten Konstruktionen abzielen.
Nach einer kompletten Renovierung kann das Theater als kulturelles und soziales Zentrum dienen und Räumlichkeiten für eine breite Palette von Veranstaltungen bieten. Neben Film- und Theateraufführungen werden hier auch Kongresse und Konferenzen, Vorträge, Literaturabende, gesellschaftliche Veranstaltungen und Bälle, Ausstellungen, Konzerte und Festivals stattfinden können. Im Laufe des Jahres finden ständige Veranstaltungen und GastkünstlerInnen ihren Platz. Eine Reihe von Veranstaltungen wird sicherlich die unmittelbare Umgebung des Theaters zum Leben erwecken, das so zum Mittelpunkt eines neuen gesellschaftlichen Bereichs an der Schwelle des Brünner Messegeländes wird.